Lokalzeitungen als Marktplatz für den Einzelhandel

von Steffen Greschner am 17. November 2011 · 5.758 Kommentare

Steffen Konrath hat heute kurz einen spannenden Groupon-Klon aus den Staaten erwähnt. Ähnlich wie Banghaus.com in Deutschland, hat auch in den Staaten mit travidia.com ein Dienstleister die Initiative übernommen und einige Lokalzeitungen für Find n Safe überreden begeistern können:

Find n Save™ is a dynamic and powerful local search platform where consumers can find the best local deals…regardless of source. Leveraging the power of local media and the most advanced search and database technology, Find n Save™ is the most comprehensive and extensive local deal solution. Whether it’s through sophisticated search functionality, email notifications or social media outlets, consumers can always locate the best deals via Find n Save™.

Auf den ersten Blick nichts anderes als ein weiterer langweiliger Groupon-Klon:

Spannend sind die Deals, die etwas versteckt in der Sidebar laufen. Find n Safe geht einen Schritt über Groupon hinaus und agiert als Technologieanbieter (Zeitungen als Technologieanbieter und Marktplatz) für den stationären Einzelhandel. Lokale Händler können Ihre Angebote so direkt auf findnsafe einbinden:

Leider sind dort bisher fast nur größere Einzelhandelsketten vertreten, die sich aus dem Netz aggregieren lassen. Und auch die Umsetzung ist nicht sonderlich gelungen: Sowohl die Tagesdeals (dealsaver.com), wie auch die local-Deals (milo.com) sind von externen Seiten eingebunden und das nicht sonderlich schön (wer den Deal findet, darf ihn behalten;)

Lokalzeitung als Onlinemarktplatz

Trotzdem bietet das Konzept einen tollen Ansatz: Gerade für Lokalzeitungen und den lokalen Einzelhandel, der in der Regel maximal eine eigene Homepage aber sicher keinen eigenen Onlineshop betreibt. Die Zeitung als (online)Marktplatz und Preisvergleich für das direkte Umfeld. Die Kontakte zum Einzelhandel sollten aus dem Anzeigenverkauf sowieso schon bestens gepflegt sein.

Das sich das durchaus mit Groupon- und Co. verbinden lässt, haben wir hier vor fast eineinhalb Jahren schon einmal beschrieben.

Warum die Branche StartUps dringend braucht

von Steffen Greschner am 17. November 2011 · 123 Kommentare

Das Thema Lokalblog knackt 10.000 Euro hat gestern ziemlich eingeschlagen: TopStory bei Meedia, meistgeklickter Link bei turi2, der Journalist hatte den Beitrag in den 3 Webtipps des Tages, Neunetz.com hat es übernommen. Dazu viele weitere Blogs, Tweets und Facebook-Empfehlungen.

Warum das alles?

Weil es endlich mal Zeit wurde!

Schnell haben gestern die Diskussionen im Netz angefangen. Ein exemplarisches Beispiel:

Die Branche braucht StartUps

10.000 Euro sind nicht viel Geld. Das reicht vor allen nicht um 9 Leute dauerhaft zu ernähren. Aber 10.000 Euro Monatsumsatz sind für ein StartUp nach 18 Monaten Laufzeit und 6 Monaten aktiver Vermarktung absolut OK. Und so sollte man das auch diskutieren.

Was der Branche nicht viel hilft, sind Konzepte, die auf Spenden bauen, die sich über Vereine finanzieren und die damit kokettieren unterfinanziert für die richtige Sache zu kämpfen. Idealismus ernährt tatsächlich niemanden. Vollkommen egal, ob Klatsch und Tratsch oder die tiefgründige Sozialreportage. Es geht darum irgendwann Geld zu verdienen.

Solange aber die eigentlichen Vordenker der Branche mit Begriffen wie “professioneller Lokaljournalismus” und “Qualitätsjournalismus” jeden neuen Ansatz im Keim ersticken, stehen sie sich selbst im Weg.

Betriebswirtschaft statt journalistischer Verblendung

Der Beitrag von gestern hat es ganz deutlich gezeigt: Es lohnt sich auch in bodenständige und unspektakuläre Konzepte zu investieren. Wenn man es nicht mit journalistischer Verblendung, sondern mit betriebswirtschaftlichem Kalkül tut, wird es sich auszahlen – ohne das der Journalismus dabei auf der Strecke bleibt.

Erster Lokalblog knackt 10.000 Euro im Monat

von Steffen Greschner am 15. November 2011 · 5.136 Kommentare

Immer wieder werden Lokalblogs als reine Liebhaberprojekte kleingeredet. Dass das längst nicht auf alle Lokalblogs zutrifft zeigt ein Blick in das Tegernseer Tal, wo der momentan finanziell erfolgreichste mir bekannte Blog herkommt. In der Pressemeldung zur Gründung von istlokal.de wurden nun zum ersten Mal offizielle Zahlen zur Tegernseer Stimme verkündet:

Seit April 2010 betreibt er (Peter Posztos) mit einem mittlerweile neunköpfigen Team die lokale Nachrichtenseite tegernseerstimme.de. Auf Basis der lokal eng begrenzten Plattform erwirtschaften er und sein Team Umsätze von bis zu 10.000 Euro pro Monat.

Die Umsätze werden bei der Tegernseer Stimme über Online-, Print- und Facebookwerbung erzielt. Inzwischen wurde bereits die fünfte Printausgabe gedruckt und kostenlos verteilt. Etwas mehr als die Hälfte der Umsätze erzielt die Tegernseer Stimme mit der Druckausgabe.

- Online-TKP von rund 5 Euro -

Selbst wenn man 60% der Umsätze der Printausgabe zuschreibt, werden aber immer noch stolze 4.000 Euro ONLINE-Umsatz mit 1.500 täglichen Lesern erzielt.

Ohne die exakten Zahlen zu kennen, kann man trotzdem folgende grobe Rechnung anstellen: Die Tegernseer Stimme kommt auf  ca. 45.000 Leser/Monat (1.500 Leser x 30 Tage) und auf ca. 112.500 PIs/Monat (45.000 x 2,5).

Um jetzt noch auf einen halbwegs realistischen TKP zu kommen, habe ich mir die Werbeplätze auf der Startseite angeschaut. Ergebnis: aktuell stehen 7 Werbepartner auf 7 unterschiedlichen Werbeplätzen. Dazu kommen noch Veranstaltungshinweise und kurzfristige Werbeaktionen auf Facebook. In einer einfachen Rechnung ergibt das einen TKP von rund 5 Euro: (In der Realität ist der Preis, den die Werbepartner für eine einzige Anzeige bezahlen, sicherlich geringer, da die angesprochenen Veranstaltungshinweise etc. natürlich auch etwas Umsatz einbringen. Zur groben Orientierung reicht das so aber aus.)

4000 Euro / 7 Werbeplätze = 571 Euro pro Werbeplatz pro Monat

(571 Euro / 112.500 PIs) x 1.000 = 5,08 Euro TKP

Das sind Zahlen, die nicht sofort in Jubelschreie ausbrechen lassen. Das sind aber auch Zahlen, die weit weg von Hobbyprojekten sind und vor allem sind das Zahlen, von denen viele Lokalzeitungen – rein auf ihre Onlineumsätze bezogen – wahrscheinlich nur träumen können.

- Seit 6 Monaten wird vermarktet: Lokale Werbepartner statt Restplätze -

Spannend sind die Zahlen vor dem Hintergrund, dass erst seit Mai dieses Jahr überhaupt Anzeigen auf der Tegernseer Stimme verkauft werden. Von 0 auf 4.000 Euro monatliche Werbeeinnahmen innerhalb von einem halben Jahr ist durchaus vielversprechend. Von Start weg hat man bei der Tegernseer Stimme  konsequent auf Restplatzvermarkter und Werbenetzwerke verzichtet und sich nach lokalen und langfristigen Werbepartnern umgeschaut. Zumindest laufen einige der aktuellen Anzeigen bereits seit rund zwei Monaten.

- Die Druckausgabe hat den Weg geebnet -

Der Start zum Anzeigenvertrieb wurde im im Frühjahr mit der ersten Printausgabe geebnet. Der Plan damals: Das Produkt über die Printausgabe bekannt machen und konsequent auf das Onlineangebot verweisen. Das dahinter viel harte Arbeit steckt, hatte Peter Posztos gegenüber dem netzleser schon im Mai 2011 beschrieben:

Die Kosten, die durch das Magazin entstehen sind gedeckt: Druckkosten, Vertriebskosten, Kosten für freie Mitarbeiter, Grafik und Satz. Wenn ich meine eigene Zeit mit einrechne, bleibt aber nichts übrig. Die Akquise von Anzeigenkunde ist ein hartes Geschäft. Im Gegenzug erreichen wir aber eine viel größere Relevanz in unserem Einzugsgebiet.

Klar ist trotzdem, dass 10.000 Euro Umsatz für ein neunköpfiges Team nicht ausreichen auch wenn es sich bei den Mitarbeitern natürlich hauptsächlich um Freie auf 400 Euro-Basis handelt. Klar wird aber auch, dass Lokalblogs nicht nur Liebhaberprojekte sind, wie es kürzlich in der TAZ stand. Klar sein sollte aber vor allem, dass der Münchner Merkur mit dem Onlineteil seiner Tegernsee-Ausgabe ganz sicher nicht auf diese Online-Umsätze kommt. Das geben 3 Restplatzvermarkter-Werbeplätze einfach nicht her:

Ich schreibe es immer dazu und so auch dieses Mal: Ich bin Mitgründer der Tegernseer Stimme aber seit einiger Zeit nicht mehr im Tagesgeschäft dabei. Ich stehe aber nach wie vor beratend zur Seite.

Arroganz als Geschäftsmodell deutscher Verlage

von Steffen Greschner am 15. November 2011 · 163 Kommentare

Manchmal begegnen einem Aussagen, bei denen man nicht genau weiß, ob man sie überhaupt ernst nehmen soll. Dann fragt man sich, ob man darauf eingeht oder ob man es nicht doch lieber ignorieren soll.

Zwei Absätze in der FR kann man aber eigentlich nicht ignorieren. Vor allem wenn es um die Ankündigung der Huffington-Post geht, demnächst in den deutschen Markt einsteigen zu wollen. Hans Joachim Fuhrmann und Jakob Augstein beweisen zumindest, dass man Arroganz durchaus auch als Geschäftsmodell sehen kann:

„Grundsätzlich sind ausländische Verlage herzlich willkommen, wir haben allerdings auch Ansprüche an diejenigen, die im Club der deutschen Verleger mitspielen wollen“, sagt Hans Joachim Fuhrmann, Sprecher und Mitglied der Geschäftsleitung beim Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Auch neue Online-Projekte werde der BDZV willkommen heißen. Ob in Deutschland noch Platz ist für eine Huffington Post, werde sich zeigen. „Absolutes Alleinstellungsmerkmal fast aller Zeitungen in Deutschland ist der professionelle Lokaljournalismus. Das muss die Huffington Post mit ihren Laienjournalisten erst mal hinkriegen“, sagt Fuhrmann.

Der gleichen Meinung ist Jakob Augstein, Verleger der Wochenzeitung der Freitag. „Ich sehe auf Anhieb keine Lücke für die Huffington Post“, sagte er bei DRadio Wissen. Augstein hält den deutschen Pressemarkt für den besten der Welt. Im Ausland seien durch das große Zeitungssterben Lücken entstanden, die es hier nicht gebe. So sei etwa zoomer.de, ein ambitioniertes Nachrichtenportal des Holtzbrinck-Verlags, nach nur einem Jahr wieder eingestellt worden.

Fast schon schockierend ist das nichtVerständnis, die Huffington Post mit dem Rohrkrepierer zoomer zu vergleichen. Eine missglückte deutsche Jugendzeitung mit einem der führenden Online-Medien der USA gleichzusetzen, zeugt entweder von Angst, Unwissen oder von fast unglaublicher Arroganz.

istlokal.de will Lokaljournalismus weiter pushen

von Steffen Greschner am 12. November 2011 · 333 Kommentare

Ganz aktuell ist wieder mehr Bewegung in den Lokaljournalismus gekommen. Hardy Prothmann vom Heddesheimblog und Peter Posztos von der Tegernseerstimme haben aus istlokal.de eine gemeinsame Firma gegründet:

Ziel der Unternehmung ist die professionelle Unterstützung des freien und unabhängigen Lokal- und Regionaljournalismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
(…)
Die Kunden erhalten die Nutzungsrechte für das von der Firma entwickelte Layout “istlokal” zur freien Verwendung. Darin enthalten sind Hosting, Support und Weiterentwicklung. Darüber hinaus tauschen sich die Mitglieder im betreuten Forum über Erfahrungen aus, um ihre Angebote qualitativ immer weiter zu verbessern.
(…)
Grundlage für das Produkt sind die vier Säulen Journalismus, Technik, Vermarktung und Recht. Dementsprechend gibt es für die Kunden Newsletter und Handlungsanleitungen. Die Kunden erhalten zudem eine fundierte und praxisnahe Beratung zu diesen Themenbereichen.

Die Kunden von istlokal Medienservice UG (haftungsbeschränkt) werden gleichzeitig Teil einer Nachrichten-Agentur-Organisation. Der Austausch von Inhalten ist obligatorisch. Ideen und Konzepte, Lösungen und Anwendungen teilen sich die Kunden solidarisch, um einen möglichst guten Lokaljournalismus im Internet unabhängig von großen Verlagen voranzutreiben.

Ähnlich, wie vor einiger Zeit schon die Passauer lokalnews GmbH, sieht man auch bei istlokal.de den ersten Schritt in der Technik. Das auf WordPress basierende CMS wurde in den letzten eineinhalb Jahren auf der Tegernseerstimme getestet und weiterentwickelt.

Istlokal.de war ursprünglich als Verein angedacht. Bei der Gründung war ich als Gründungsmitglied mit dabei. Der Schritt aus dem Netzwerk eine Firma zu gründen ist absolut richtig. Unter dem Dach eines Vereins war istlokal zu schwerfällig und nur bedingt handlungsfähig.

Groupon- und Coupon-Angebote deutscher Zeitungsverlage

von Steffen Greschner am 17. August 2011 · 3.526 Kommentare

— update vom 17. August —
Nachdem seit Montag mit rheinmainDEAL (F.A.Z. und Frankfurter Neuen Presse) und mydealbayern (Passauer Neue Presse) zwei neue Verlags-Groupons dazu gekommen sind, habe ich die Liste aller Groupons aus deutschen Verlagen bzw. Regional- und Zeitungsverlagen mal wieder aktualisiert.
— ursprünglicher Artikel vom 4. April 2011 —

Die Integration von Groupon- und Coupon-Angeboten ist ein vielversprechender Weg indirekte Erlösmodelle im Online-Journalismus zu realisieren

Verlage testen Groupon – oft leider lieblos

Seit einiger Zeit tut sich in dem Bereich auch schon was. Die WAZ hat mit WestDeal vor rund eineinhalb Jahren vorgelegt. Inzwischen sind einige andere Zeitungen und Verlage nachgezogen. Eine Übersicht über die aktuellen Verlags-Groupon-Klone:

http://www.westdeal.de/ WAZ-Mediengruppe
http://www.sachsendeal.de/ Leipziger Verlags- und Druckerei GmbH & Co. KG
http://www.norddeal.de/ Verlagsgesellschaft Madsack GmbH & Co. KG
http://www.schwabenland-deal.de/ Reutlinger General-Anzeiger Verlags GmbH + Co. KG
http://www.rheinmaindeal.de/ F.A.Z. und Frankfurter Neue Presse
http://www.mydealbayern.de/ Passauer Neue Presse Verlags GmbH
http://www.rheinneckardeal.de/ Rheinpfalz Online GmbH & Co. KG
http://www.bayerndeal.de/ Main Post GmbH & Co.KG

In eine sehr ähnliche Richtung gehen die Auktions-Angebote, die von einigen Verlagen momentan angeboten werden, bzw. in den Startlöchern stehen:

http://www.hamburg-bietet.de/ Hamburger Abendblatt / Axel Springer AG
http://www.welt-bietet.de/ Welt Online / Axel Springer AG
http://www.sachsenbietet.de/ Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG
http://reiseauktion.mainpost.de/ Main-Post GmbH & Co. KG
http://auktion.tagesspiegel.de/ Verlag Der Tagesspiegel GmbH
http://www.das-bietet-zeitreiseauktion.de/ ZEIT online GmbH

Gemein haben alle von Verlagen gestarteten Groupons, dass sie von ein und demselben technischen Anbieter betrieben werden: banghaus Print-Online-Auktions GmbH. Die Idee dahinter ist recht clever. Den Verlagen wird eine All-In-One Lösung geboten, die den Einstieg bzw. den Test für Groupon-, Coupon- und Auktions-Seiten als Erlösmodell einfacher machen soll. Es sind keine hohen Investitionen für Technik, Software und Design nötig und auch mit der Betreuung fallen intern keine Kosten an.

Die Konzepte müssen gut integriert werden

Kritisch sehe ich an der Sache, dass sich die eigentliche Anbieter, sprich die Verlagshäuser, nicht wirklich tiefgründig mit den Modellen und Konzepten dahinter auseinander setzen. Einen ähnlichen Ansatz gab es vor einigen Jahren schon mit diversen Live-Shopping Whitelabel-Lösungen. Ähnlich wie damals werden einige der Angebotsseiten ziemlich lieblos integriert und laufen als Stiefkind auf der X-ten Unterseite oder sind versteckt in den Shopping- oder Service-Rubriken.

Eine Sinnvolle Verknüpfung findet – gerade online – nicht oder nur sehr unzureichend statt. Wenn überhaupt, wird lediglich mit Bannerwerbung auf die Angebote hingewiesen. Eine redaktionelle Integration und Versuche, die Angebote und die Vorteile dahinter den Lesern näher zu bringen gibt es nur selten. Auch die meist angekündigten Werbemaßnahmen in den begleitenden Printmedien werden oft nur auf sehr niedrigem Niveau geschalten.

Nur mit der technischen Seite ist es aber nicht getan. Ein sauber aufgesetzter Groupon muss redaktionell begleitet werden und vom Leser als Abwechslung und Erlebnis wahrgenommen werden. Nur so wird aus dem Groupon-Angebot auch ein wirklicher Mehrwert und daraus ergibt sich die Chance auf ein tragfähiges Erlösmodell im Online-Journalismus.

Hier warte ich noch auf den einen oder anderen Verlag oder Lokalblog, der mit einem räumlich begrenzten Groupon aufzeigt, was und wie man mit dem Konzept etwas erreichen kann. Richtig eingebunden, ist davon sicher einiges zu erwarten.

Mehr zum Thema auf netzleser:
Coupons und Gutscheine als Chance für (Lokal)Zeitungen
e-commerce vs. Journalismus: Groupon-Konzepte für Lokalzeitungen
WESTDEAL: Groupon hyped das lokale Netz

Nachdem vor einigen Wochen ein kurzer Bericht auf evangelisch.de zu Groupon-Klonen in Verlagen erschienen ist, dreht sich einer der drei Leitartikel in der gedruckten Ausgabe von epd-Medien diese Woche ebenfalls um Groupon & Co. Unter dem Titel “Hoffen auf die Herden | Deutsche Medien versuchen sich im Rabattgeschäft / Von Martin Meuthen” ist eine sehr schöne Übersicht über die deutschen Verlagsaktivitäten entstanden.

Leider gibt es den kompletten Artikel nur gegen Bezahlung. Meinen Part habe ich trotzdem kopiert, weil er so schön zum Thema rheinmainDEAL und den Groupon-Klonen aus der Dose passt:

Der Fachjournalist Steffen Greschner hält diesen risikolosen Einstieg ins Couponing für eine halbherzige Lösung. „Das fertige Paket von Banghaus ist eine sehr clevere Geschäftsidee – für Banghaus“, sagt Greschner, der auch Berater für E-Commerce ist. Wegen der vorgefertigten Portale würden sich die Zeitungshäuser jedoch selbst nicht richtig mit dem Konzept befassen. Genau das sollten sie seiner Ansicht nach jedoch tun. „Die brauchen eigene Start-ups und IT-Abteilungen, wenn sie weiterhin ein Medienvorreiter sein wollen.“

Beste Voraussetzungen

Der Anzeigenmarkt werde für die Verlage vielleicht noch fünf bis zehn Jahre funktionieren, glaubt Greschner.Genau wie einst die Kleinanzeigen für Autos und Immobilien werde dann auch der Anzeigenmarkt ins Netzabwandern. „Alles, was sich im Bereich Gastronomie und Wellness bewegt, da werden sehr viele Händler dann nicht mehr zu den Zeitungen gehen.“

Von ihrer Struktur her seien Verlage sehr wohl in der Lage, lokal gegen Groupon anzutreten. „Nur müssen sie das Thema ernst nehmen“, kritisiert Greschner. Die Voraussetzungen für erfolgreiches Couponing könnten für die Zeitungshäuser seiner Ansicht nach kaum besser sein. „Wer hat in jeder Stadt die besten Kontakte zu Händlern? Seit hundert Jahren die Zeitung.“ All das müsse Groupon mit sehr viel Geld und unter hohen Verlusten erst aufbauen.

Just my two cents… ;-)

rheinmainDEAL: viele Externe und ein Projektleiter

von Steffen Greschner am 15. August 2011 · 76 Kommentare

Ich warte immer noch darauf, dass Zeitungsverlage geschlossene Online-Units aufbauen und ihre E-Commerce-Aktivitäten mit einem Team koordinieren und vorantreiben. Leider setzen viele Verlagshäuser bei dem Thema weiterhin auf externe Dienstleister.

Aktuelles Beispiel ist rheinmainDEAL, der Groupon-Klon von F.A.Z. und Frankfurter Neuen Presse:

  • Projektleiter ist Volker Vatter (freier Berater)
  • Seitenbetreiber, Software, und Inkasso von der Banghaus GmbH (externer Verlagsdienstleister)
  • Backoffice, Social Media von der Rhein-Main-Net GmbH (verlagsinterne Outsourcing GmbH)
  • Kundenbetreuung, Callcenter von der Maincom GmbH (verlagsinterne Outsourcing GmbH)
  • Produktpräsentation, Verkaufstexte, Bilder und begleitende Printanzeigen (externe Frankfurter Werbeagentur)
  • Ein Mitarbeiter für die Deal Akquise (es wird nicht auf die Anzeigenabteilung der Verlagshäuser zurückgegriffen)

Der Projektleiter ist momentan also der Einzige, der sich Fulltime mit dem rheinmainDEAL und dem (Groupon)Konzept beschäftigt. Und der wird in erster Linie zwischen den verschiedenen Beteiligten koordinieren müssen.

Das soll nicht heißen, dass der rheinmainDEAL nicht gut umgesetzt ist. Die Umsetzung ist sogar ziemlich gelungen und der erste Deal ist gut gewählt. Auch die Ankündigung in der Pressemeldung (PDF) klingt vielversprechend und zeigt die guten Kontakte, die ortsansässige Verlage haben:

In der Launchwoche locken unter anderem Tickets für das Fußballspiel Eintracht Frankfurt gegen Union Berlin für 12 statt für 25 Euro.

Mit Volker Vatter wurde ein sehr kompetenter Mann gefunden und auch mit Banghaus ist ein engagierter und professioneller Partner beim rheinmainDEAL an Bord. Eine nachhaltige und projektübergreifende Online-(E-Commerce)-Unit wurde mit dem rheinmainDeal allerdings nicht geschaffen.

Projektleiter Volker Vatter hat gegenüber dem netzleser das Engagement beim rheinmainDEAL so beschrieben:

Wir sind hier der Platzhirsch in der Region und das wollen wir uns nicht nehmen lassen. Wir wollen uns gegen Groupon verteidigen und sehen im Modell des rheinmaonDEAL die Chance einer sinnvollen Print-Online-Verknüpfung.

Zum Verteidigen gehört manchmal aber auch ein Angriff. Und so, wie der rheinmainDEAL bis jetzt aufgestellt ist, werden Innovationen, schnelle Reaktionen und eine Weiterentwicklung des Konzeptes schwer fallen.

Auf den URLs www.rheinmaindeal.info und www.rheinmaindeal.de ist inzwischen schon einiges zu sehen. Der Launch des rheinmainDeals ist für nächsten Montag, 15. August angekündigt. Mit dem rheinmainDeal steigen zwei echte Traditionsmedien ins Groupon-Business ein:

Hinter rheinmainDEAL steht die regionale Kompetenz von zwei führenden Tageszeitungen. Die Zeitungshäuser der Frankfurter Neuen Presse und der F.A.Z. Rhein-Main-Zeitung präsentieren das Deal-Portal.

Optisch ist die Seite (auf dem Screenshot) deutlich als weiterer Banghaus-Klon erkennbar auch wenn im momentanen Impressum die Rhein-Main.Net GmbH für Programmierung und Umsetzung ausgewiesen wird. Die ungewohnte Farbgebung tut der Seite auf den ersten Blick aber sehr gut:

Etwas aufhorchen lassen hat dagegen die Ankündigung auf rheinmainDeal neben den gewohnten Groupon-Dienstleistungs-Wellness-Restaurant-Angeboten auch harte Produkte anbieten zu wollen. Damit wildert rheinmainDeal von Start weg im Revier klassischer Liveshopper. Dailydeal hat vor einigen Tagen ähnliches angekündigt:

Pro Tag präsentiert rheinmainDEAL ein Top-Angebot. Ob Produkte oder Dienstleistungen aus den Bereichen Wellness, Gastronomie, Sport oder Handel – Besucher der Plattform lassen sich immer wieder gerne überraschen.

Konsequent klingt dagegen die Ankündigung der täglichen Werbeeinbindung der Deals sowohl online, wie auch in den gedruckten Ausgaben beider Blätter. Man darf allerdings gespannt sein, ob man die großen Worte auch halten kann oder ob es, wie beim Westdeal, beim schönen Wunsch bleibt und begleitende Werbung irgendwann schlichtweg “vergessen” wird.

Hardy Prothmann (pushthebutton.de)

Hardy Prothmann ist Betreiber des Heddesheimblogs, Gründungsmitglied von netzwerk recherche und Mitglied des Frankfurter Presse-Clubs. Außerdem ist Hardy Prothmann einer der aktivsten (und direktesten) Kritiker der Verlagswelt und der klassischen Medien.

In den letzten Tagen hat er mit einigen Artikeln zum Redakteursstreik viel Unruhe gestiftet – und großes Medienecho darauf bekommen. Hardy hat in erster Linie die Arbeitsbedingungen der Freien Journalisten beklagt und kritisiert. Ich habe Hardy einige Fragen zum Thema gestellt:

netzleser (NL): Du steckst in Deinen persönlichen Arbeitskampf sehr viel Zeit und machst Dir nicht nur Freunde damit. Was motiviert Dich zum Robin Hood der Freien Journalisten zu werden?

Hardy Prothmann (HP): Ich bin nicht Journalist geworden, um mir Freunde zu machen. Die guten Freunde, die ich habe, reichen mir. Ich bin auch keine Robin Hood – wer genau hinschaut, stellt fest, dass ich in meinen Artikeln alle kritisiere: Verlagsmanager, Redakteure und freie Journalisten.

NL: Auf einigen Blogs wird Dir vorgeworfen, dass Du lediglich an Deiner Selbstvermarktung arbeitest. Ist da etwas dran? Bzw. wie wirkt sich die momentane Aufmerksamkeit, die Du mit Dir als Person und mit Deinen Blogs bekommst auf die Zugriffszahlen aus?

HP: Der „Selbstvermarktungsvorwurf“ ist komplett absurd. Meine teils polemischen Kritiken führen eher nicht dazu, dass ständig das Telefon klingelt oder emails mit tollen Job-Angeboten reinkommen. Die Zugriffszahlen sind enorm, doch davon kann ich mir nichts kaufen.

NL: In einem Beitrag auf pushthebutton sprichst Du davon, dass Dir noch nie eine Zeitung mehr bezahlt hat als ausgemacht, um eine extra gute Arbeit zu würdigen. Ich höre da raus, dass es Dir viel mehr um Anerkennung als um das Finanzielle geht: Wie sehen für Dich die richtigen Arbeitsbedingungen für Freie Journalisten aus? Geht es nur ums Geld?

HP: Klar geht es um Geld. Mit Geld bezahlt man seine Miete und andere Sachen. Aber auch um Anerkennung und Respekt, wenn man sehr gut und sehr engagiert arbeitet. Und darum, immer das beste zu geben. Das gelingt nicht täglich. Aber ohne die entsprechende Haltung gelingt es nie.

Ich bin jetzt zwanzig Jahre im Job. Die ersten zehn Jahre waren klasse, weil ich am meisten von erfahrenen Kollegen gelernt habe, die ihr Können nicht als Herrschaftswissen betrachtet haben. Sie mich und andere teilhaben lassen. Aus einer Haltung heraus: Die besten Geschichten zu erzählen. Man hat gemeinsam an guten Geschichten gearbeitet.

In den folgenden Jahren hat der Job immer weniger Spaß gemacht, weil es kaum noch gute Redakteure gibt, die mit ihren freien Autoren arbeiten. Erfahrene Kollegen wurden durch Grünschnäbel ersetzt, die wenig Ahnung von Journalismus haben. Arbeits- und Honorarbedingungen wurden immer mieser. Das weiß jeder in der Branche.

Richtige Arbeitsbedingungen sind dann gegeben, wenn Freier und Redaktion zusammen das beste Ergebnis erreichen wollen und das Honorar die Arbeit nicht nur „ehrt“, sondern bezahlt.

NL: Glaubst Du wirklich, dass Qualität im Journalismus mit dem Zufluss im Geldbeutel gleichzusetzen ist? Liefert ein gut bezahlter Journalist besseren Journalismus als ein schlecht bezahlter?

HP: Ein gut bezahlter Journalist hat zumindest die besseren Chancen. Er kann sich die notwendige Zeit nehmen, um den Job gut zu machen. Zeilenhonorare sind beispielsweise tödlich für guten Journalismus. Wenn ich für 100 Zeilen nur 100 Euro brutto erhalte und auf einen „vernünftigen“ Stundensatz kommen will, dann kann ich als hauptberuflicher Journalist höchstens drei Stunden Arbeit dafür kalkulieren. Vielleicht brauche ich aber fünf oder sechs Stunden – das hängt vom Thema ab. Dann muss der Artikel 200 Euro bringen – tut er aber nicht.

Investiere ich also trotzdem mehr Zeit, bin ich schlechter bezahlt – auch wenn ich den besseren Journalismus liefere. Auf Dauer zermürbt das, weil man immer Geldsorgen hat. Journalisten haben hauptberuflich oft mit Sorgen zu tun – wenn die größte Sorgen allerdings die der eigenen wirtschaftlichen Existenz ist, kann auf Dauer kein guter Journalismus dabei rauskommen. Außer, man hat ein sehr, sehr dickes Fell.

NL: Axel Springer hat jüngst im Geschäftsbericht eine EBITDA-Rendite von 22,7 Prozent  (128,5 Mio Euro) bei den nationalen Zeitungen ausgewiesen. Gleichzeitig will man Gehälter kürzen. Ist Journalist überhaupt ein Beruf, den man Festangestellt und als Glied in einer Produktionskette ausüben kann? Als Content-Produzent? Oder sollten Journalisten nicht eher “Überzeugungstäter” sein, die wie Künstler oft am Hungertuch nagen (oder hoffentlich auch nicht) aber aus Überzeugung im Dienste der Gesellschaft stehen?

HP: Der Axel-Springer-Verlag ist einer der erfolgreichsten Verlage. Geschäftlich gesehen sage ich: Respekt. Hauptumsatzträger ist die Bild, die erfolgreich die Formel TTT vermarktet: Tiere-Titten-Tote. Das ist zwar meistens eklig, das war der Circus Maximus aber auch. Bei ASV und Bild arbeiten Überzeugungstäter, die wissen, was sie tun. Sie wollen Geld verdienen. Egal wie. Dafür gibt es einen perfekten Produktionsapparat, in dem viele nur Inhalte-Produzenten für alle möglichen Körpersäfte-Themen sind. Die Bild beschämt jeden Tag die rund 330 deutschen Tageszeitungen. Denn der Bild gelingt es, die Themen zu setzen, über die die Menschen reden, selbst wenn sie Bild nicht lesen. Viele Geschichten sind überhaupt nicht „exklusiv“, aber sie werden exklusiv gemacht. Dafür gibt es die Profi-Schreiber. Würden die nach „Zeile“ bezahlt, wären die angesichts der kurzen Texte die ärmsten Schlucker Deutschlands. Tatsächlich sind sie die Top-Verdiener.

Im Lokalen ist alles exklusiv – nur wird es leider beliebig und lustlos gemacht. Ich werfe den Zeitungsverlagen vor, dass sie über Jahrzehnte hinweg den Markt kaputt gemacht haben. Sie haben nur Geld rausgezogen, aber kaum in das inhaltliche Produkt investiert.

Sie nehmen sich die billigsten Lohnschreiber, die man finden kann und verkaufen aus ihrer Monopolsituation oft nur Ramschjournalismus. Billiges Zeugs. Sie haben die Nähe zu Verwaltungsspitzen, Wirtschaft, Verbänden und allen mit „Rang und Namen“ gesucht und sind nun in diesem Geflecht vollständig verheddert.

Mit der Überzeugung, als vierte Gewalt andere zu kontrollieren, hat das bei vielen schon lange nichts mehr zu tun.

Vergiss den Vergleich mit den Künstlern. Essayisten haben vielleicht was „künstlerisches“, es ist aber keine „Kunst“, journalistische Texte zu schreiben. Auch kein Kunsthandwerk, sondern nur Handwerk. Journalismus ist eine Dienstleistung und jemand, der diese gut beherrscht, sollte auch entsprechend verdienen können.

Tatsächlich wird das immer schwieriger, weil gutes Handwerk von den Verlagen nicht eingekauft wird. Wer nur Bratwurst und Fritten anbieten will, der braucht keine Spitzenköche. Und wenn es keine exklusiven Restaurants mehr gibt, müssen sich die Köche halt nen anderen Job suchen. Als Kartoffelschäler beispielsweise.

NL: Gibt es überhaupt noch eine Berechtigung für fest angestellte “Verlagsjournalisten”? Wikipedia sieht im Verleger denjenigen, der “mit Druck- und Werbungskosten in Vorlage” geht – diese Vorleistung fällt durch das Internet weg. Sollten sich Journalisten nicht endlich aus der “technischen Sklaverei” der Druckerpressen befreien und ihren wirklichen, (online)selbstverlegten Überzeugungen nachgehen?

HP: Ich hole ein wenig aus: Der Begriff Verleger kommt vom Vorleger. Das war ein Kaufmann, der in Vorlage gehen musste, Güter ankaufte, Handelsreisen finanzierte. Sehr schön dokumentiert im Fortunatus. Hier wurden Bücher geführt, Handelslisten, Preise, Kosten, Währungen. Aus dem Handel ist mit dem Ausgang des Mittelalters das Bürgertum entstanden.

Der Buchdruck hat eine „Vervielfältigungstechnik“ ermöglicht. Und die Anfänge des Journalismus liegen in der Übertragung von Fakten: Zahlen, Namen, Kontakte. Erst viel später kam das „Feuilleton“ dazu – mit Theaterkritiken, Rezensionen, unterhaltenden, aber auch politischen Texten. Und es war ein Elitenmedium mit Top-Autoren wie Heine, Goethe, Klopstock, Gerstenberg oder Claudius.

Noch später erst gab es die Kaufzeitungen, noch später die Abonnement-Zeitungen. Daraus ist eine Industrie, eine Vermassung entstanden. Die Zeitung ist ja nur ein Produkt vieler Verlagshäuser, die alles mögliche drucken.

Zur Frage: Klar braucht man für die technische Produktion Arbeiter, die das Produkt herstellen. Früher brauchte man viele Drucker und Setzer, das machen heute wenige mit Hilfe von Computern. Und zum Content-Schupsen braucht es auch viel weniger „Redakteure“, wenn es nur um die rein technische Umsetzung geht.

Inhaltlich braucht man aber nach wie vor kluge Köpfe und kluge Konzepte, sonst verkauft sich das Produkt nicht. Die Verluste der Zeitungen beweisen das ja eindeutig.

Und ja – die Zeit ist reif für Journalisten, die selbst unternehmerisch arbeiten wollen. Die Produktionskosten sind historisch niedrig. Die Herausforderung ist, den Markt zu schaffen. Leider ist nicht vielen Journalisten das Unternehmertum gegeben. Das müssen sie lernen. Da schließe ich mich ein. Ich lerne täglich dazu.

NL: Der klassische Verlagsjournalismus wird als die 4. Gewalt bezeichnet. Blogs sind inzwischen auf dem Weg die 5. Gewalt, also die Kontrolle der Kontrolle zu werden. Funktioniert diese 5. Gewalt aber nicht nur, weil die Menschen dafür kein Geld bekommen und aus reiner Überzeugung handeln? Ist vielleicht der “Hobbyjournalist” sogar der bessere Journalist

HP: Einspruch. Die Zeitungen sind nur ein Teilsystem der Medien. Medien an sich sind keine vierte Gewalt – nur kritische, politische Medien, die auch diesen Anspruch haben. Und selbst die sind ohne die Menschen gar nichts. Was nützt eine Kritik, wenn die Menschen sie nicht bemerken wollen?

Das gilt auch für Internetportale, Blogs oder wie immer man das nennt.

Um eine kritische Haltung zu haben, muss man nicht arm oder mittellos sein. Ganz im Gegenteil ist finanzielle Unabhängigkeit eher geeignet, eine kritische Haltung einnehmen zu können.

Die Partizipationsmöglichkeiten der Menschen sind durch das Internet enorm gestiegen. Siehe den Fall Horst Köhler: Ein aufmerksamer Hörer von DeutschlandRadio machte die problematischen Äußerungen zur Verbindung von Krieg und Wirtschaftsinteressen publik, die Nachricht war in der Welt, der Spiegel hat sie aufgegriffen und Köhler war Geschichte. Ohne Internet wäre Köhler im Amt geblieben. Noch hat es eine „klassische“ Marke gebraucht, um „Relevanz“ herzustellen, aber auch das wird sich ändern.

Diese Aufmerksamkeit, die Überzeugung der Menschen, die Teilhabe am öffentlichen Geschehen, die Dokumentation von Ereignissen ist noch kein Journalismus – aber das wird den Journalismus enorm verändern.

NL: Was stimmt am System Zeitung aus deiner Sicht nicht?

HP: Zeitungen haben noch nie vollständig die Realität abgebildet – schon aus Formatgründen. Alles, was in der Welt passiert und wichtig ist, soll ja angeblich in der Zeitung stehen. Das ist Blödsinn. Zeitungsleser sind auch nicht „gebildeter“ als andere – das ist der allergrößte Blödsinn. Und seit es das Internet gibt, ist man durch die Zeitung auch nicht besser informiert. Man bekommt nur eine Auswahl an Informationen und die kann gut oder schlecht sein. Diese Informationen sind niemals umfassend, sondern immer ein Kompromiss. Ein „beschränkter“ noch dazu.

Man erhält auch nicht „mehr“ Hintergründe als im Internet, sondern viel weniger.

Und wenn einer aus Mannheim kommt, einer aus Heidelberg und einer aus Neustadt an der Weinstraße, die zusammen bei einem Unternehmen in Walldorf arbeiten, können sich alle zusammen über die Katastrophe von Duisburg unterhalten, weil sie in verschiedenen Zeitungen dieselbe Agenturmeldung gelesen haben. Waren die drei aber im Internet und in ihren sozialen Netzwerken, kann jeder andere Aspekte und Informationen beisteuern: Gerüchte und Fakten, Bilder und Eindrücke, persönliche Nachrichten und verschiedene Kommentare.

Zeitungen definieren sich immer noch als Closed-Shop und werden deshalb bald auch die Rollläden runterlassen müssen wegen Geschäftsaufgabe, weil die Kunden ausbleiben.

NL: Was ist Deine ganz persönliche Vision für den Journalismus der Zukunft?

HP: Soviel steht fest: Die alten Theorie des „Gate-Keeping“ hatte ihre Gültigkeit, ist aber erledigt. Journalisten bestimmen nicht mehr wesentlich, welche Nachrichten in die Welt hinaus gehen.

Überall sammeln Menschen Informationen und stellen diese ins Netz. Als Tweet, als Post, als Video, als „Leak“. Und andere Menschen haben Zugang zu diesem ganz enormen Archiv.

Die klassische Rolle des Sammelns von Informationen, die Aufbereitung und Einordnung bleibt für Journalisten erhalten – allerdings unter neuen Bedingungen. Und eine ist: Diese Informationen sind nicht mehr „vorbehalten“.

Siehe die arabische Revolution, die keine „Facebook“-Revolution ist, sondern eine von Menschen, die sich aber über das Internet vereinigt haben. Der Journalist Richard Gutjahr ist spontan von Israel nach Ägypten gereist und hat von dort berichtet. Das war kein großer Wurf, aber es war ein Versuch und Gutjahrs Verdienst ist das Aufzeigen der neuen Möglichkeiten – die muss man professionalisieren.

Die Arbeit wird transparenter. Jeder, der sich einigermaßen im Netz zurechtfindet, kann innerhalb kürzester Zeit journalistische Informationen überprüfen – ob die Fakten stimmen, ob die Einordnung nachvollziehbar ist, ob etwas „hinzugedichtet“ oder ob etwas „verschwiegen“ worden ist.

Und es gibt weniger „systembedingte“ Exklusivität. Siehe Stuttgart21. Vor einigen Jahren noch musste man auf die Fernsehnachrichten warten, um gefilterte Bilder von vor Ort sehen zu können. Oder bis zum nächsten Tag auf die Zeitung. Heute kann man live bei fluegel.tv oder cam21.de dabei sein und das Netz enttarnt Lügen der Medien und der Regierungen mitunter sofort.

Die Stuttgarter Zeitungen haben vollständig versagt und die Debatte über das Projekt geht an ihnen vorbei – sie wird im Internet geführt. Und dort organisieren sich die Menschen fallbezogen.

Der Journalismus der Zukunft wird versuchen müssen, ein offenes Informationssystem anzubieten. Eine Art Verteilerknoten, bei dem die Menschen wissen: Wenn ich was erfahren will, steig ich hier ein und wenn ich mich verirre, kehre ich zurück und suche Orientierung. Einerseits muss man dafür sehr „objektiv“, also mit korrekten Fakten arbeiten, andererseits auch „subjektiv“, also Standpunkte anbieten.

Auch diese Arbeit kostet Geld und muss klug und kenntnisreich versehen werden.

Journalismus wird sich anpassen müssen, das ist auch gut so, weil er gerade im Zeitungswesen seit Jahrzehnten auf der Stelle tritt.

Eine Lösung auf die Frage nach der Finanzierung ist noch nicht ausreichend gefunden.

Entscheidend wird auch ein Umdenken in der Wirtschaft und bei der Werbeindustrie sein. Auch hier gab es ein „Gate-Keeping“ – Kampagnen werden immer noch im „großen Stil“ gefahren. Die Werbung folgt der Aufmerksamkeit und die geht weg vom monopolistischen Einheitsbrei. Sie wird sich in Zukunft fragmentieren – das heißt, der große Kuchen bleibt erhalten, wird aber in kleinere Einheiten zerteilt. Wenn diese Einheiten als Einnahmen ausreichen, wird es zu einer neuen Vielfalt von journalistischen Angeboten abseits der Verlagswelt kommen. Auch die Nutzer werden gerne zahlen, wenn sie davon überzeugt sind.

Wäre ich Zeitungsverleger, wüsste ich, was zu tun ist – das verrate ich aber nicht, denn ich bin ja nur ein Blogger.